Oft behauptet, dennoch falsch!
Leider entdecken wir oft in diversen Off- und Online-Medien oberflächliche, reißerische und effekthascherische Halbwahrheiten, die vermutlich nur dazu dienen, die Auflage bzw. Klickrate zu erhöhen.
Wir stellen hier daher drei der gängigsten Behauptungen richtig:
- „Arbeitgeber müssen grundsätzlich gute Zeugnisse ausstellen“
- „Einser-Zeugnisse wirken wie weggelobt“
- „Zeugnisse werden von Personalern ohnehin nicht besonders beachtet“
1. „Arbeitgeber müssen grundsätzlich gute Zeugnisse ausstellen“
Es ist zwar richtig, dass Zeugnisse prinzipiell wohlwollend formuliert sein müssen. Das hat jedoch mit der eigentlichen Benotung nicht viel zu tun. Das oft zitierte „mit verständigem Wohlwollen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht dem Arbeitnehmer das weitere Fortkommen auf dem Arbeitsmarkt nicht unnötig und dauerhaft erschweren darf. Auch eine weit unterdurchschnittlich benotete Leistung muss immer wohlwollend formuliert werden.
In der Rechtsprechung ist es völlig unstreitig, dass die Wohlwollenspflicht im Zweifel hinter die sog. Wahrheitspflicht zurücktreten muss. Für den Zeugnisleser soll ein objektives, individuelles und verständliches Bild über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über Leistung und Verhalten des beurteilten Arbeitnehmers ersichtlich sein.
Eine „schonungslose Offenheit“ lehnt die Rechtsprechung zwar ab, eine objektiv schlechte Leistung und ein problematisches Sozialverhalten können und sollen jedoch im Zeugnis bescheinigt werden. Es muss halt nur „wohlwollend“ formuliert werden. Dies ist im Übrigen auch der Grund, warum sich im Laufe der Jahre eine Art „Zeugnissprache“ entwickelt hat.
2. „Einser-Zeugnisse wirken wie weggelobt“
Zur Notenverteilung in Zeugnissen gibt es wissenschaftliche Untersuchungen. Die Universität Erlangen-Nürnberg hat beispielsweise im Jahr 2011 eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass in 38,8% der untersuchten Zeugnisse die (Gesamt-)Note 1 oder 1,5 vergeben wurde, in 48,5% der Zeugnisse die (Gesamt-)Note 2 oder 2,5 und in 11,65% der Zeugnisse die (Gesamt-)Note 3 oder 3,5. Nur bei 1,1% war die Benotung schlechter.
3. „Zeugnisse werden von Personalern ohnehin nicht besonders beachtet“
Es mag sicherlich einige Arbeitgeber (insbesondere kleinere oder mittlere Handwerks- oder Dienstleistungsbetriebe) geben, die den Informationswert von Zeugnissen bei der Personalvorauswahl/Personalauswahl bestreiten. Diese Arbeitgeber sind jedoch klar in der Minderheit, was auch deutlich aus den in der Fachliteratur veröffentlichten Untersuchungen bzw. Befragungen hervorgeht.
Je nachdem, ob es sich um eine Stelle für Arbeiter, Angestellte oder Führungskräfte handelt, ist dabei die von den befragten Personalverantwortlichen angegebene Bedeutung von Zeugnissen für die Personalvorauswahl/Personalauswahl unterschiedlich hoch.
Bei Arbeitern liegen die Aussagen „sehr große Bedeutung“, „große Bedeutung“ und „mittlere Bedeutung“ zusammengenommen bei über 60%.
Bei Angestellten liegen die Aussagen „sehr große Bedeutung“, „große Bedeutung“ und „mittlere Bedeutung“ zusammengenommen sogar bei über 90%.
Bei Führungskräften liegen bereits die beiden Aussagen „sehr große Bedeutung“ und „große Bedeutung“ zusammengenommen bei über 70%.
In weiteren Untersuchungen gab die Mehrzahl der befragten Personalberater bzw. Personalverantwortlichen an, dass fehlende Zeugnisse bereits in der Personalvorauswahl zu Absagen führen (spätestens, wenn diese auch auf Nachfrage nicht nachgereicht werden).
Auch sagten bei einer Untersuchung ca. ¾ der befragten Personalberater, dass sie sich anhand der vorliegenden Zeugnisse Notizen hinsichtlich des Bewerbers machen, um diesen dann gezielt danach zu fragen.