Was hat es mit dem „Zeugniscode“ auf sich?
Grundsätzlich ist es rechtlich unzulässig, Zeugnisse mit Merkmalen zu versehen, die den Arbeitnehmer in einer nicht offensichtlichen Weise kennzeichnen. Ein „Geheimcode“ darf also nicht verwendet werden.
Trotzdem ist es vielfach üblich, bestimmte Techniken zu verwenden, um ein im Grunde negatives Zeugnis (zumindest vordergründig) positiv erscheinen zu lassen.
Bekanntestes Beispiel ist der Satz „Er hat durch seine fröhliche Art das Betriebsklima auffallend mitgestaltet.“ als versteckter Hinweis auf Alkoholmissbrauch.
Bei all diesen Aussagen steht nicht unbedingt böse Absicht dahinter, sondern schlichtweg Unkenntnis, Unachtsamkeit oder der Wille, Wohlwollenspflicht und Wahrheitspflicht in Einklang zu bringen.
Folgende Zeugnistechniken sind in der Praxis geläufig:
- Leerstellen und Auslassungen
- Reihenfolge und Satzstellung
- Ausweichen
- Einschränken
- Andeuten
- Negationen
- Passivieren
- Knappheit
- Widersprüche
1. Leerstellen und Auslassungen
Bei der Leerstellen- bzw. Auslassungstechnik werden einzelne Wörter, Aussagen oder auch ganze Zeugniskomponenten ausgelassen. Teilweise, um negative Formulierungen zu vermeiden und der Wohlwollenspflicht genüge zu tun, teilweise aber auch, um dem kundigen Leser einen versteckten Hinweis auf schlechte Leistungen zu geben.
So lässt die (vordergründig) sehr gute Bewertung der Sozialkompetenz „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets vorbildlich“ auf Probleme mit Kunden schließen, wenn es sich hierbei z.B. um einen Kundenberater handelt und eine Aussage zum Verhalten gegenüber Kunden schlichtweg ausgelassen wird.
2. Reihenfolge und Satzstellung
Bei der Reihenfolge- bzw. Satzstellungstechnik werden unwichtigere vor wichtigeren Dingen genannt. So werden z.B. bei der Aufgabenbeschreibung letztgenannte Tätigkeiten abgewertet.
Auch „Sein Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war stets vorbildlich“ – statt „gegenüber Vorgesetzten und Kollegen“ – wertet das Verhalten des Mitarbeiters ab.
Bei der Ausweichtechnik wird Unwichtiges oder Selbstverständliches hervorgehoben, beispielsweise wenn bei einem Vertriebsmitarbeiter die pflegliche Behandlung des Dienstwagens hervorgehoben wird und das Gewinnen neuer Kunden oder Erzielen von Umsatz nicht erwähnt werden.
Bei der Einschränkungstechnik werden die (vordergründig) positiven Aussagen durch die Formulierung wieder eingeschränkt.
Eine Formulierung „Er galt bei den Kollegen stets als ausgewiesener Fachmann“ weist darauf hin, dass dies bei Vorgesetzten oder Kunden nicht der Fall war.
Der Gebrauch von mehrdeutigen Formulierungen wirft ein negatives Licht auf den Beurteilten.
Die Formulierung „Sie bewältigte ihre Aufgaben, im Rahmen ihrer Fähigkeiten, außergewöhnlich gut“ könnte hier gelesen werden als „Ihre Fähigkeiten waren nicht gerade gut“.
Durch doppelte Verneinung oder Verneinung negativ besetzter Begriffe wird gewöhnlich eine Aussage abgewertet oder ins Gegenteil verkehrt.
So bedeutet z.B. „Seine Umsatzgenerierung war nicht unwesentlich“ eigentlich, dass sie nicht gerade wesentlich war.
Bei dieser Technik werden gehäuft Passivierungen gewählt. So soll der Mitarbeiter als unselbständig sowie initiativ- und erfolglos dargestellt werden.
Passivierungen sind z.B. „wurde eingesetzt“, „wurde ihr übertragen“, „wurde beschäftigt“ oder „hatte zu erledigen“.
Durch ein auffällig kurzes Zeugnis insgesamt oder Knappheit seiner Komponenten soll der Leser negative Rückschlüsse ziehen können.
So wirkt eine Leistungsbeurteilung ausgesprochen negativ, wenn sie wesentlich kürzer ist als die Aufgabenbeschreibung.
Das gleiche gilt auch für ein nur halbseitiges Zeugnis für einen langjährigen Mitarbeiter.
9. Widersprüche
Durch widersprüchliche Aussagen wird hier eine eigentlich positive Beurteilung ins Gegenteil verkehrt.
Die Aussage „Sie führte die Aufgaben, die wir ihr antrugen, mit Interesse aus“ (negativ) „, so dass wir mit Ihren Leistungen stets sehr zufrieden waren“ (positiv) bildet einen Widerspruch, so dass die Gesamtaussage negativ ist.